Donnerstag, 22. März 2012

Ich bin kein durchschnittlicher Geocacher

In seiner Diplomarbeit „Geocaching – Eine kontextuelle Untersuchunhg der deutschsprachigen Geocaching-Community“ hat Daniel Telaar im Oktober 2007 die Strukturen der deutschsprachigen Geocacher-Community nach Eigenschaften, Verhaltensweisen, Interessen und Motivation untersucht.

Die 2.300 Fragebögen, die von ihm ausgewertet wurden, stellten damals einen repräsentativen Querschnitt dar. Die Ergebnisse sind sicher auch heute noch gültig, obwohl wenn sich der eine oder andere Schwerpunkt durch die vielen seit 2007 dazu gestossenen Geocacher etwas verlagert haben dürfte.

In der erstmalig mit Hilfe empirischer Methoden beschriebenen und analysierten Arbeit kommt er auf 134 Seiten zu folgenden Schlussfolgerungen:

„Der durchschnittliche Geocacher ist männlich, zwischen 29 und 42 Jahre alt und verfügt über eine hochrangige Schulausbildung. Er lebt in gefestigten Lebensverhältnissen mit einer festen Partnerschaft, jedoch in der Regel ohne Kinder. Er hat aufgrund seines hohen Bildungsniveaus eine feste berufliche Anstellung im Bereich der Informationstechnologie, bei der er ein leicht überdurchschnittliches Einkommen erwirtschaftet.“

Wenn man etwas tiefer in die Zahlen einsteigt, dann sind Geocacher zu 78 % männlich, 77 % sind verheiratet oder haben eine feste Partnerbindung und sind zu 59 % kinderlos. 77 % der Befragten haben Hochschulreife oder ein abgeschlossenes Studium und 59 % sind als Angestellte oder leitende Angestellte tätig.

Schon diese „Grunddaten“ bestätigen: Ich bin kein durchschnittlicher Geocacher.
Wenn ich Geschlecht, Alter, Familienverhältnisse, Schulabschluss und berufl. Tätigkeit nach der Wahrscheinlichkeit miteinander verknüpfe, dann gibt es in Deutschland gerade mal 28 Geocacher, die mit mir Brüder im Geiste sind.

Aber die Kennzahlen, mit welcher Intensität Geocacher ihr Hobby betreiben reduziert die Gemeinsamkeiten noch weiter:
Wenn man statistische Ausreisser eliminiert liegt der Median, d.h. der berichtigte Durchschnitt bei 115 gefundenen Caches. 1/3 der Befragten hat noch keinen eigenen Cache ausgelegt. 63 % gehen mindestens einmal in der Woche dem liebgewonnenen Hobby nach. Die 8 %, die pro Ausflug sechs und mehr Schätze finden, dürften heute durch die größere Cachedichte nicht mehr repräsentativ sein.

Als bekennender Papiercacher gehöre ich zu den fast 91 %, die den Ausdruck mitführen. Zumindest bei diesem Kriterium bin ich nach der Studie sehr durchschnittlich.
Anders liegt die Sache bei den Cachetagen. 90 % cachen häufig am Wochenende, während 70 % eher selten und 8 % nie an Werktagen auf Tour gehen. Mit einigen anderen Auswertungen kommt Daniel Telaar zu folgendem Cacher-Verhalten:

„Der durchschnittliche Geocacher begibt sich in der Regel mit seiner Familie oder befreundeten Geocachern und nur selten allein auf die Suche nach einem Cache. Auch wenn er regelmässig innerhalb der Woche nach Caches sucht, konzentrieren sich seine Aktivitäten auf freie Tage wie das Wochenende oder Feiertage. Auch im Urlaub betreibt der Geocacher sein Hobby und lässt sich bei der Wahl des Ziels von der dort vorhandenen Anzahl an Caches beeinflussen. Der Cacher filtert bei der Suche weniger solche Caches heraus, die seinen Ansprüchen nicht genügen könnten, sondern versucht möglichst alle Caches in seinem Aktionisradius zu finden. Mit steigender Zahl an gefundenen Caches vergrößert sich der Aktionsradius des Cachers. Das Auto ist dabei das bevorzugte Fortbewegungsmittel. Mit steigender Zahl gefundener Caches nimmt die Verwendung des Autos weiter zu, während das Fahrrad immer seltener zum Einsatz kommt. Viele Orte, die der Cacher durch sein Hobby kennengelernt hat, sucht er erneut für andere Arten der Freizeitgestaltung auf.“

Auch hier falle ich durch das Durchschnittsraster. Dafür kann ich mich im Zwischenfazit zur Motivation wiederfinden:

„Der durchschnittliche Geocacher mag sein Hobby vor allem aufgrund des häufigen Aufenthalts in der Natur und der Möglichkeit neue Orte und die eigene Umgebung besser kennenzuleernen. Zwar mag ein Großteil der Befragten die Möglichkeit der Entspannung vom Alltag, das Lösen von Rätseln und den Nervenkitzel bei der Suche, diese Aspekte stehen aber deutlich hinter den zuvor genannten.“

Wenn ich Interessensschwerpunkt, meine übliche Cachingpraxis und meine Motivation in eine Wahrscheinlichkeitsberechnung einfließen lasse, dann tendiert die Chance einen vergleichbaren Geocacher in Deutschland zu finden gegen Null. Ich bin wohl einmalig!
Aber einmalig ist bei einer entsprechenden Verknüpfung der Kriterien und ihren Wahrscheinlichkeiten wohl jeder von uns.

Mit den Wahrscheinlichkeiten ist es sowieso so eine Sache. Ich habe kürzlich gelesen, dass es 1.850 Mal wahrscheinlicher ist, nach Abgabe des Lottoscheins bis zu Ziehung der Lottozahlen das Zeitliche zu segnen als den Jackpot zu knacken. Und was tun wir: Wir hoffen auf das eine und denken nicht an das andere wahrscheinlichere Ereignis.

5 Kommentare:

  1. Wenn der durchschnittliche Geocacher so klug und gebildet ist, warum sind dann die meisten Caches so schlecht? Da passt was nicht. Wahrscheinlich hat der Untersucher nur in seinem eigenen Milieu geforscht.

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    1. Das hat 2007 alles noch so gestimmt. Da waren Navis aber auch noch sauteuer. Heutzutage, wo jeder mit dem Handy loscachen kann, stimmt das nicht mehr. Das sieht man alleine schon an der Zunahme von Rechtschreib- und Grammatikfehlern in Listings und Logs.

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  2. Wahrscheinlich ist das aber halt auch schon echt lange her (Datenbasis wohl 2006/2007) und seitdem hat sich sehr viel verändert...

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    1. Ja, vor fünf Jahren waren die Cacher sicher wirklich zum größten Teil technikaffine Nerds. Ist wie mit dem Internet. Seit alle reinkönnen, ist es kaputt.

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    2. Komisch, bei mir geht das Internet noch.
      Und auch wenn heute durchaus auch bildungsfernere Bevölkerungsgruppen einen Zugriff auf GPS-Geräte haben, Preisverfall und Smartphones sei dank, erinnere ich mich mal an "damals" (bin immerhin auch schon seit 2007 dabei):
      Unzählige Leitplanken. Regenrinnen. Lieblose Baumwurzeln. Verkehrsschilder. Efeu, Unkraut, Müll. Ungepflegte Drecksdosen. Uninteressante, belanglose Örtlichkeiten. Filmdosen ohne Ende. Und "Fair Trade" war ebenso ein Fremdwort wie heute.
      Was ich damit sagen will? Cache-Meisterwerke waren "damals" genauso in der Minderheit wie heute (...ok, vielleicht haben sie länger überlebt, das will ich zugestehen.).
      Gruß aus Dortmund
      Migido

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