Weil Vögel aus dem frisch eingesäten Gemeindeacker die Samen
aus der Furche pickten, beschloss der Gemeinderat, dass diese Samenräuber zum
Wohl der Gemeinde durch den Gemeindevorsteher vertrieben werden sollten. Damit
er dabei aber nicht die Saat zertrampelt, wurde er von vier starken Männern auf
einer hölzernen Plattform über das Feld getragen.
Das sind nur zwei der bekannteren Schildbürgerstreiche, über
die man sich seit 1597, als im Lalebuch die ersten
„wunderseltsamen, abenteuerlichen, unerhörten und bisher unbeschriebenen
Geschichten und Taten“ veröffentlich wurden, köstlich amüsiert.
Seit ein paar Tagen kann man die Schildbürgerstreiche aus
dem fiktiven Ort Schilda um einen ganz realen Streich aus der real
existierenden Gemeinde Altensteig im nördlichen Schwarzwald ergänzen.
Der Schriftzug „Geocaching Forever“ war ein von einem Team
von vier Cachern ausgelegtes Landmark im nördlichen Schwarzwald, das 19
Wanderrunden von je 5 – 10 km Länge auf insgesamt 130 km Wegstrecke mit 286
Caches umfasste.
Ein Teil der meist am Rande der Waldwege an Baumstümpfen
befestigten oder locker in einem Baum hängenden Petlinge lag auch auf
Altensteiger Gemeindegebiet.
Der Ansturm der Geocacher sorgte, wie der Schwarzwälder Bote am 23.05.2012 berichtete, für „Unmut vor allem bei Jägern, die durch die
Aktivitäten der Geocacher die Ruhe des Wildes und die Unversehrtheit der Natur
bedroht“ sahen. Der Bürgermeister sah die Gefahr, dass Jagdpachtverträge
gekündigt würden und darüber hinaus noch das Risko, „dass das allgemeine
Betretungsrecht (des Waldes)
eingeschränkt wird, und dann müssen alle drunter leiden“. Und so folgte der
Rat mit einer einzigen Gegenstimme dem
Vorschlag ihres Bürgermeisters, auf den Flächen der Stadt Altensteig das
Geocachen zu verbieten.
Kein halbes Jahr später kann man im Schwarzwälder Boten
erneut über Altensteig und Geocaching lesen. Diese Mal wird über eine Ratsversammlung berichtet, bei der die Mitglieder des Gremiums über die
positiven touristischen Impulse durch Geocaching informiert werden. Andere
Städte der Schwarzwaldregion hätten ihre Geocaching-Angebote intensiv beworben
und damit sehr gute Erfahrungen im touristischen Bereich gemacht.
Auf Antrag der Verwaltung votieren die gleichen Gemeinderäte,
die fünf Monate vorher fast einstimmig das Cacheverbot erlassen haben, mit 18 Ja-Stimmen (2 Nein, 4 Enthaltungen)
dafür, dass ein „Anbieter“ für 10.600 Euro sechs Geocaching-Touren entwirft und
auslegt.
Wenn man die auf anderen Gemarkungen von ihm bereits
ausgelegten durchaus attraktiven Runden als Maßstab nimmt, werden auf der
Gemarkung Altensteig dadurch etwa so viele Dosen liegen, wie vorher bei den
zwangsentfernten „Geocaching Forever“ Runden.
Mit einem einzigen Unterschied: Bei Geocaching Forever
wurden die Runden durch engagierte Cacher kostenlos ausgelegt und gewartet. Jetzt
kostet das „Basispaket“ - was immer das
bedeutet - den Bürgern 10.600 Euro. Vielleicht fallen da auch noch laufende
Wartungskosten an.
Man sollte – die
Eingangsstory aufgreifend - Bretter zum Plattformbau nach Altensteig schicken.
Eigentlich könnte man sich das aber auch sparen, wenn die Verantwortlichen in
einem lichten Moment Fenster aus den Wänden des stockfinsteren Rathauses herausbrechen. Dann könnte man die Bretter vor dem eigenen Kopf erkennen und
sie dann kostengünstig zum Plattformbau
nutzen.
Herrlich, die "besten" Geschichten schreibt doch immer das Leben. Ein echter Schildbürgerstreich. Danke für deinen Bericht.
AntwortenLöschenhustelinchen
Toller Artikel. Wo ist hier die Applaus-Taste? ;-)
AntwortenLöschenVielen Dank dafür und herzliche Grüße vom Lechfeld,
Martin alias Zwischenamhlzeit