Montag, 5. November 2012

Gegen die Richtlinien und ohne Reviewer


Er stand in seiner Küche und begutachtete den schwarzen 20 Liter Plastikeimer, in den er schon einiges verstaut hatte: Eine CD mit einer Topo Karte der USA, Videos, ein paar Bücher, eine Dose Bohnen, vier Dollar-Banknoten und eine Steinschleuder. Bevor er mit dem schwarzen Deckel den Eimer wasserdicht verschloss, legte er noch eine Plastikhülle mit einem Zettel als Logbuch hinein und betrachtete dann zufrieden sein Werk, bevor er Eimer und eine Schaufel in sein Auto packt und sich auf den Weg machte.
Allmählich wurde die Besiedlung dünner und nur noch vereinzelte kleinere Farmen und Häuser verloren sich rechts und links vom Weg. Auch an einigen Christbaum-Plantagen fuhr er vorbei, bis er in die South Fellows Road und auf die Straße durch den Wald der Port Blakely Tree Farm einbog. Hier windet sich die Straße durch einige Kurven. An einer Ausweichstelle parkte er sein Fahrzeug. Mit der Schaufel hob er am Waldrand ein tieferes Loch aus, versenkte den Plastikeimer bei exakt N 45.17.460 W 122.24.800 und fuhr zufrieden nach Hause.

So, oder ähnlich hat Dave Ulmer am 3. Mai 2000 den ersten Cache vorbereitet, in einem Waldstück in Oregon ausgelegt und damit „Geocaching“ in die Welt gesetzt.
Noch am gleichen Tag veröffentlichte er in einer Navigations-Newsgroup eine e-mail mit den Koordinaten. „Well, I did it, created the first stash hunt. Lots of goodies for the finders. Look for a black plastic bucket buried most of the way in the ground.”
 “Gunna see if we can get thousands of these all over the country…”
Inzwischen sind es fast zwei Millionen Caches und über fünf Millionen Geocacher, die regelmäßig auf Schatzsuche gehen. Begonnen hat es an diesem 3. Mai 2000 mit dem Cache von Dave Ulmer in einem Wald in Oregon.

Wenn es damals schon Richtlinien und Reviewer gegeben hätte, wir würden vielleicht noch heute gelangweit Daumen drehen oder uns die Zeit auf andere Art vertreiben. Heute wäre Dave Ulmer’s Cache, mit dem alles begann, wohl nicht mehr veröffentlicht worden, denn mit seinem Cache hat er gleich gegen mehrere Regeln verstoßen.
 Dave hatte keine Genehmigung des Eigentümers, um auf dessen Gelände einen Cache zu plazieren. Die Genehmigung des Geländeeigentümers ist heute eine wesentliche Voraussetzung, wahrscheinlich aber auch eine, gegen die am häufigsten verstoßen wird.
Zwar schließt die auf der Homepage der Port Blakely Tree Farm veröffentlichten Regeln für das Betreten des Privatwaldes das Ausheben von Löchern nicht aus – vielleicht weil niemand an so eine Möglichkeit gedacht hatte, aber im Sinne des Eigentümers war das, bei der Empfindlichkeit der Amerikaner mit „Private Property“, sicher nicht.
„Geocaches dürfen niemals vergraben werden“ ist eine andere fundamentale Richtlinie, gegen die Dave Ulmer verstoßen hat und gerade diese Vorschrift scheint ja für manchen Reviewer heute eine der wichtigsten Vorschriften zu sein.
Auch Banknoten oder Lebensmittel in einen Cache zu deponieren ist, wenn auch nach meinem Wissen nicht explizit verboten, doch eher grenzwertig.

Was für ein Glück für alle heutigen Geocacher, dass es damals noch keine Richtlinien und Vorschriften gab und an Reviewer, die solche Regeln zur Platzierung von Caches streng überwachen, auch noch nicht gedacht wurde.
Beides brauchte man auch nicht, denn die paar Geocacher richteten bei der Suche nach den wenigen Caches kaum Schaden an. Das ändert sich aber, wenn Tausende auf der Suche nach immer mehr Caches durch die Gegend trampeln.

Dave Ulmer 
Ein paar Jahre später schrieb Dave Ulmer über den GC 92 Un-Original Stashder nach dem Verlust des Cache # 1 im Oktober 2000 ein paar Meter weiter im Wald ausgelegt wurde: „Die Lichtung ist jetzt durchzogen mit Trampelpfaden, die aus allen Richtungen auf den Baumstamm zuführen. Farn ist vollständig niedergetrampelt. In einem Umkreis von 10 m um den Baumstamm ist nur noch Matsch. Die Initialen vieler Geocacher sind in den Baumstamm geritzt …. OK, OK. Ich gebe auf. Jegliche Weiterentwicklung des Sports Geocaching sollte sofort aufhören.“

Dave Ulmer war in mancher Beziehung ein Visionär und mit seiner Prognose, dass Geocaching Gefahr läuft, mehr und mehr in einen von Konkurrenzdenken dominierten Wettbewerb auszuarten, der immer kommerzieller wird und keine Rücksichten auf Natur und Ökologie nimmt, hat er nicht ganz unrecht behalten.
Je mehr Geocacher auf der Suche nach wild ausgelegten Dosen durch die Landschaft streifen und je mehr solche Dosen ausgelegt werden, umso größer das Risiko einer Beeinträchtigung der Umwelt und desto größer auch das Risiko, als Geocacher pauschal einen schlechten Ruf zu bekommen.

Und deswegen brauchen wir heute auch Richtlinien und Regeln - und auch Reviewer, die über deren Einhaltung wachen.

1 Kommentar:

  1. Leider können auch Reviewer keinen Einfluss auf das konkrete Verhalten der Cacher vor Ort nehmen. Wenn diese sich nicht vernünftig benehmen, ihre eigenen "Suchregeln" machen und dabei wie die Berserker alles Umpflügen oder mit dem Auto verbotene Wege nutzen, ist der Ruf schnell ruiniert, auch wenn die Dosen regelrecht versteckt werden.
    Obwohl auch die Verstecker ihren Teil beitragen können. Wenn ich nen Mikro im Wald verstecke, wo es tausende Versteckmöglichkeiten gibt und als Hint "Wald" oder so ähnlich gebe, ist klar, dass man drei Tage später Suchspuren sehen wird.
    Wir trafen neulich im Baxrischen auf eine Gruppe von ca. 15 Leuten. Erwachsene und Kinder. Auf der Suche nach einem gut versteckten Cache (wir hatten den Jahre vorher nicht gefunden und machten einen erneuten Anlauf), das Handy vor der Nase, hier und dort stochernd, wurde ein großes Areal durchkämmt und umgegraben. Gefunden haben sie die Dose nicht. Einen dnf geloggt auch nicht....

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